Warum sind Menschen von kopflosen Gespenstern so fasziniert?

 

Es gab eine Zeit, da waren "weiße Frauen" modern. Sie erschienen den Lebenden an verschiedenen Orten. Eine von ihnen war Julianna Korponay-Géczy.

 

Sie war eine ungarische Adelige, die angeblich den Feinden Zugang zur belagerten Stadt Levoča gewährte. Natürlich aus Liebe - warum sonst - sollte eine Frau zur Verräterin werden? Und es wundert auch nicht, dass dies "zufällig" an einem 13. geschah: am 13. Februar 1710. Angeblich wurde sie trotzdem später, am 25. September 1714, auf kaiserlichen Befehl in Györ enthauptet. Nach einer dreijährigen Gefangenschaft und Folter. Gefoltert wurde sie, obwohl es damals verboten war, Adelige zu foltern.

 

Angeblich spukt sie bis heute. Man kann sie auf der Stadtmauer sehen, oder im Rathaus.

Tatsächlich fand man in einer Kirche in Ožďany bei Rimavská Sobota, ihrem Heimatort, die Reste einer geköpften Frau. Ob sie das war, lässt sich nicht mehr feststellen.

 

In Wahrheit dürfte die Geschichte anders abgelaufen sein - abgesehen von der Hinrichtung:

Das Tor wurde nach Verhandlungen geöffnet und nicht von ihr, sondern vom Stadtrichter.

Sie war eine sehr junge, liebevolle Frau, die sich in einer schwierigen Situation befand. Auf der einen Seite der beiden kriegerischen Parteien stand ihr Vater, auf der anderen ihr Mann.  Sie war unschuldig. Das Urteil: ein Skandal. Man könnte meinen, dieses ungerechte Urteil wäre vielleicht geeignet, die arme Frau zum Spuken zu bringen und zwar für alle Zeit. Doch das dürfte auch nicht wirklich der Fall sein. Wahrscheinlich spukt sie gar nicht und hat es auch nie getan.  Zum berühmten Gespenst wurde sie nämlich erst durch einen Roman, geschrieben von Jókai, Mór, mit dem Titel:  Die weiße Frau von Löcse, Roman, Gustav Kiepenheuer Verlag

 

300 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod, wurde das Urteil posthum widerrufen. Was ihr aber auch nichts rückwirkend gebracht hat.

 

 

Wie man sieht, waren Frauen in Bezug auf Hinrichtungen gleichberechtigt. Man machte keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen.

Der Geist von Anne Boleyn

Gespenster hatten als Lebende immer ein tragisches Schicksal und einen tragischen Tod. Anne Boleyn ist eine dieser Personen und sie ist berühmt, war sie doch die Frau Heinrichs VIII., König von England (von 1509 bis 1547).

Am 19. Mai 1536 wurde sie wegen Hochverrats und Ehebruchs mit fünf Männern, geköpft. Auch von Hexerei ist die Rede. Sie war die Ursache für den Bruch des Königs mit dem Papst und der Gründung einer eigenen Kirche.

 

Wahrscheinlich ist es vor allem dieses Urteil, weswegen man ihr posthum die Fähigkeit, durch halb England zu geistern, zuschreibt. Denn das ist für normale Geister eher untypisch. Offenbar beflügelt ihre Person die Fantasie der Menschen auf seltsame Weise.

 

"Es wird gesagt, dass Anne Boleyn die Königin gewesen sei, die Englands Geschichte am meisten beeinflusst hat. Sie war die zweite der insgesamt sechs Frauen von Heinrich VIII. Für sie hat sich der englische König von der katholischen Kirche getrennt und gründete die Anglikanische Kirche.

Ihr Geist soll noch heute durch den Tower von London spuken. Sie soll sechs Finger gehabt haben und drei Brüste. Unzählige dunkle Legenden ranken sich um Anne Boleyn, die schon zu Lebzeiten ein Mythos war. "

http://www.deutschlandfunk.de/kuehner-als-ein-loewe.871.de.html?dram:article_id=127338

 

Offenbar handelt es sich bei ihr um einen etwas extravaganten Geist, denn sie wird an verschiedenen Orten gesichtet. Sowohl dort wo sie aufwuchs, als auch im Tower und auch noch an anderen Orten wurde sie angeblich gesichtet. Wie ist das zu erklären?

 

In Blickling Hall in Norfolk kommt sie nicht nur alleine, sondern sogar mit Kutsche, kopflosen Pferden und kopflosem Kutscher in regelmäßigen Abständen vorbei. Das kann doch nur ein Märchen sein. Aber warum fasziniert diese Frau die Menschen so sehr, dass sie behaupten, ihrem Geist begegnet zu sein. Kein Wunder, bei drei Brüsten und sechs Fingern, da muss die Frau doch besondere Fähigkeiten gehabt haben. ;)

 

 

Kopflose Geister faszinierten die Menschen schon immer. Natürlich waren auch Schriftsteller und Dichter davon beeindruckt.  Unter den bekannten Autoren ist Heinrich Heine, der häufig über Gespenster ohne Kopf schrieb. Er ist nur einer von vielen.

 

Das Enthaupten von Menschen (und auch Tieren) steckt uns anscheinend in den Genen. Schon während der Eiszeit wurde Kopfjagd praktiziert. Viele Europäer haben unter ihren Vorfahren Kelten, welche schon während der Römerzeit dafür bekannt waren, ihre Feinde zu enthaupten, um die Köpfe dann aufzuheben. Sie dachten, auf diese Weise den Geist des Toten im Jenseits unschädlich zu machen. Relikte solcher Kulte können wir noch in den Häusern vieler Jäger bestaunen, die Köpfe von Tieren an ihre Wände hängen. Vermutlich ist ihnen die Symbolik ihrer Handlung nicht bewusst. Sie tun es, weil es andere auch machen. In manchen Kulturen ist das Herz ein starkes Symbol - wie beispielsweise bei manchen S-Amerikanischen Völkern die den Geopferten das Herz aus dem Körper gerissen haben - bei anderen ist es der Kopf. Jeder kennt die "Schrumpfköpfe", die von manchen Völkern angefertigt wurden. Es handelt sich dabei um die abgetrennten Köpfe von Feinden des jeweiligen Stammes. Doch weil die Nachfrage - die bis heute andauert - so groß war - ging man dazu über, irgendwelche Menschen zu ermorden, um deren Kopf habhaft zu werden. Auch Europäer waren unter den Opfern. Im Jahr 2018 wurde sogar in Deutschland so ein Kopf versteigert. Ob er alt, oder jüngeren Datums ist, wurde vermutlich nicht hinterfragt. Mittlerweile wurde die Anfertigung von Schrumpfköpfen aber doch beendet, weil die Täter zur Besinnung kamen. Sie wollten nicht mehr in Angst und schrecken leben, weil der liebe Nachbar vielleicht heimlich Kopfjäger war, um des lieben Geldes willen und nicht, damit die Lebenskraft des Getöteten auf den Mörder übergeht. Denn daran haben die modernen Schrumpfkopfhersteller schon lange nicht mehr geglaubt.

 

Enthauptungen gab es in vielen Ländern und zu vielen Zeiten. Massenhinrichtungen waren möglich, weil die Guillotine erfunden wurde. Ein Scharfrichter mit dem Schwert, hätte das Pensum vermutlich nicht geschafft. Theoretisch hätte es jeden Menschen treffen können, auf diese Art aus dem Leben zu scheiden. Gruselig war diese Tötungsart schon immer. Wie lange der abgetrennte Kopf lebt, weiß man nicht so genau. Angeblich ca. 13 Sekunden. Es wurden sogar makabere Experimente mit abgetrennten Köpfen durchgeführt. Der Kopf von Hamida Djandoubi, (ein tunesischer Zuhälter) soll nach Aussage des anwesenden Gefängnisarztes, etwa 30 Sekunden lang auf Zurufe reagiert haben. Ganz schön gruselig.

Bei so vielen Hinrichtungen im Laufe der Jahrhunderten, wird es sicher zu ähnlichen, Furcht einflößenden Begebenheiten gekommen sein. Kein Wunder also, wenn Gespenster oft ohne Kopf, oder mit dem Kopf unter dem Arm, geistern gehen.

 

Der einzige Staat weltweit, der heute noch Enthauptungen durch das Schwert vornimmt, ist Saudi-Arabien. Auch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) führt medienwirksam Enthauptungen durch. Alle anderen Staaten, die noch Hinrichtungen praktizieren,  verzichten darauf, Leuten den Kopf abzuschlagen. Was wohl der Grund dafür ist, dass es keine Sichtungen von kopflosen Gespenstern aus heutigen Generationen gibt.

 

Abgesehen von den doch recht lebendigen kopflosen "Gespenstern", die zur Faschingszeit, oder zu Halloween in der Gegend herum spuken.

 

Selbstverständlich tauchen kopflose Reiter auch gerne in Horrorfilmen auf. Oft basieren diese Filme auf alten Sagen und Erzählungen. Während die kopflosen weiblichen Gespenster meistens harmlos sind, muss man sich vor kopflosen Reitern fürchten. Denn im Gegensatz zu ihren weiblichen Pendants, waren sie zu Lebzeiten Sünder, vielleicht sogar Mörder. Meistens suchen sie ihren Kopf, dann graben sie sich in der Nacht aus dem Grab, oder sie haben ihn vor sich auf dem Schoß liegen, während sie auf einem Pferd reiten. Eigentlich sind sie keine echten Gespenster, denn sie können lebende Menschen berühren und damit töten. Wenn man ohne Kopf herum irrt, ist es praktisch, ein Pferd zur Verfügung zu haben.

 

Und so sehen Horrorfilme aus, in denen kopflose Reiter die Hauptrolle spielen. Irgendwie praktisch. Man kann die Schauspieler beliebig austauschen und keiner bemerkt es.

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